Veröffentlicht am Juli 2025

Güterkontrolle beim Export von Dual-Use Gütern im Griff? Eine Kurzanleitung

Export def

Einleitung

Kaum ein exportierendes Unternehmen ist von der Export- und insbesondere von der Güterkontrolle nicht betroffen. Das trifft speziell auf Unternehmen zu, die Dual-Use Güter, d.h. zivil und militärisch verwendbare Güter herstellen. Der Export solcher Güter ist bewilligungspflichtig.

Gerade bei KMU ohne eigene Rechtsabteilung kann sich die Komplexität des Güterkontrollrechts bisweilen sehr problematisch auswirken. Diese Unternehmen haben zwar in der Regel einen Verantwortlichen für die Exportkontrolle, wenden sich aber für Rechtsfragen an externe Juristen, die nicht selten einen langjährigen persönlichen Bezug zur Unternehmung bzw. den Inhabern haben. Oft sind sie aber in der Thematik des Güterkontrollrechts überhaupt nicht oder nicht hinlänglich genug bewandt – dies, obwohl die von Güterkontroll-gesetzgebung erfassten Güter in viel mehr Bereichen des täglichen Lebens als allgemein angenommen hineinspielt.

In meiner Funktion als ehemaliger Inhouse-Jurist eines Rüstungs- und Technologieunternehmens und seit nun 10 Jahren als beratender Jurist für Unternehmen aus den Bereichen Defence, Maschinenbau, Technologie und IT möchte ich KMU-Inhabern, Exportverantwortlichen und von dieser Thematik betroffenen oder daran interessierten Personen in diesem Kurzbeitrag, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, einige Einblicke geben über:

  1. was Dual-Use Güter sind und wie sie klassifiziert sind,
  2. wer von der Güterkontrolle betroffen ist,
  3. nach welchem Schema die exportrechtliche Überprüfung von Dual-Use Gütern erfolgt,
  4. wie die die Klassifizierung eines Dual-Use Guts hinsichtlich der Frage nach Bewilligungspflicht überprüft wird, und zuletzt
  5. wie die Exportkontrolle im Unternehmen umgesetzt wird.

 

I. WAS SIND DUAL-USE GÜTER UND WIE SIND SIE KLASSIFIZIERT?

Dual-Use-Güter sind Waren, Software oder Technologien, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden können. Dazu zählen beispielsweise hochwertige Industriegüter wie Werkzeugmaschinen, bestimmte Chemikalien oder elektronische Komponenten.

Dual-Use Güter sind im Güterkontrollgesetz (Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, besonderer militärischer Güter sowie strategischer Güter vom 13. Dezember 1996, GKG, SR 946.202) und in den Anhängen 1 und 2 der Güterkontrollverordnung (Verordnung über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, besonderer militärischer Güter sowie strategischer Güter vom 3. Juni 2016, GVK, SR 946.202.1) geregelt. Von Belang ist weiter der Anhang 3 GKV, in welchem die besonderen militärischen Güter aufgelistet sind.

Die Dual-Use Güter sind in international abgestimmten Listen erfasst. Sie sind in 10 Kategorien, sprich Produktbereichen (z.B. Kategorie 2: Werkstoffbearbeitung, Kategorie 5: Telekommunikation und Informationssicherheit, Kategorie 9: Luft- und Raumfahrt sowie Antriebe) unterteilt, die ihrerseits wiederum in 5 Gattungen (z.B. Gattung A: Systeme, Gattung B: Prüf-, Test- und Herstellungseinrichtungen) unterteilt sind. Jedem einzelnen Gut ist eine Exportkontrollnummer (EKN) zugeteilt, welche die Kategorie und Gattung codiert. Die Anhänge zur GKV bzw. die Güterlisten sind auf der Webseite des Staatsekretariats für Wirtschaft SECO publiziert.


II. WER IST VON DER GÜTERKONTROLLE BETROFFEN?

Der Pflicht zur Güterkontrolle sind sämtliche Unternehmen unterstellt, welche Dual-Use Güter in der Schweiz herstellen, verkaufen oder exportieren. Das betrifft somit Unterhemen aus den Bereichen des Maschinenbaus, der Technologie-, der IT und Software, Pharma und Chemie. Unter den in Kapitel III erläuterten Voraussetzungen müssen diese Unternehmen vor der Ausfuhr ihrer Produkte daher prüfen, ob diese Produkte in der Liste der klassifizierten Güter, d.h. in den Anhängen zur GKV, aufgeführt sind (vgl. dazu Kap. IV).


III. WER IST VON DER GÜTERKONTROLLE BETROFFEN?

Das untenstehende Prüfschema gilt für alle Exportgeschäfte, wobei für die Prüfung für den Export von Dual-Use Güter «nur» das Embargogesetz (Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen vom 22. März 2022, EmbG, SR 946.231) und das Güterkontrollgesetz relevant sind.

Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

 

Ausgangslage der Exportkontrolle ist stets das Embargogesetz. Ist das Bestimmungsland und/oder der Empfänger (Personen, Unternehmen oder Organisationen) des Produkts mit einer Sanktion auf der Grundlage des EmbG belegt (siehe dazu die stets aktualisierten Embargo- und Sanktionslisten des SECO), müssen die Art, den Umfang und der Gegenstand der Sanktion überprüft werden. Bestehen ein Embargo gegen das Bestimmungsland und/oder Sanktionen gegen den Empfänger des zu exportierenden Produkts, erübrigt sich jegliche weitere Überprüfung und insbesondere die der Güterklassifizierung (siehe dazu Kap. IV), weil der Export verboten ist.


IV. WIE WIRD DIE KLASSIFIZIERUNG EINES DUAL-USE GUTS ÜBERPRÜFT?

Das untenstehende Prüfschema gilt für alle Exportgeschäfte, wobei für die Prüfung für den Export von Dual-Use Güter «nur» das Embargogesetz (Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen vom 22. März 2022, EmbG, SR 946.231) und das Güterkontrollgesetz relevant sind.

1. Prüfung der Güter-Klassifizierung: Der erste Schritt besteht darin, abzuklären, ob das Produkt im Anhang 1 oder 2 GVK aufgelistet ist. Das trifft nicht nur auf das Endprodukt zu, sondern auch für die Komponenten der Hauptelemente eines Guts oder gemäss Art. 9 der Verordnung über die Statistik des Aussenhandels vom 12. Oktober 2011 (SR 632.14), sofern die Bestandteile insgesamt mehr als 25% des Wertes des Endprodukts ausmachen.
 
Die detaillierte Vorgehensweise zur Überprüfung der Klassifizierung durch die Eingabe der Zolltarifnummer ins TARES, dem Schweizer Zolltarif, sowie, falls die EKN nicht bekannt ist, die anschliessende Suche des Produkts im Umschlüsselungsverzeichnis und, dank der so ermittelten EKN, in den Anhängen 1 und 2 GKV würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen.
 
2. Endverbleiberklärung (u.a. auch End User Certificate, End Use Letter genannt) beim Empfänger des Produkts einholen: Falls das zu exportierendes Produkt als Dual-Use Gut in Anhang 2 Teil 2 GKV und/oder als besonderes militärisches Gut in Anhang 3 GKV aufgeführt ist, ist zur Beantragung der Ausfuhrbewilligung eine Endverbleiberklärung des Empfängers notwendig. Diese ist Voraussetzung für die beim SECO zu beantragende Ausfuhrbewilligung (mehr dazu in Punkt 3 unten).
 
Eine Endverbleiberklärung ist ein Dokument, in dem der Empfänger bzw. der Endverwender eines in Anhang 1, 2 oder 3 GKV gelisteten Guts den Verwendungszweck dieses Guts deklariert. Es enthält
u. a. folgende Angaben:
  • deklarierter Warenwert
  • Land der Endverwendung
  • ob das Gut als Bestandteil in ein Produkt eingebaut ist
  • Identität des Endverwenders
  • militärische Endverwendung
  • Vorbehalte bezüglich Reexports
 
3. Beantragung der Exportbewilligung: Sind die Güter gemäss Punkt 1 klassifiziert worden und liegt das End User Certificate des Produktempfängers vor, ist für den Export der Produkte eine Ausfuhrbewilligung des SECO erforderlich.
 
Eine Ausfuhr- bzw. Exportbewilligung ist ein von einer staatlichen Behörde erlassenes Dokument, in dem die Erlaubnis für die Abwicklung eines Exportgeschäfts erteilt wird. In der Schweiz ist das SECO hierfür zuständig. Es gibt zwei Formen bzw. Arten von Exportbewilligungen: die Einzel- und die Generalausfuhrbewilligung. Welche von beiden erteilt wird, entscheidet das SECO und hängt vom konkreten Geschäftsfall ab. Für nur eine Einzellieferung eignet sich die Einzelbewilligung und für mehrere Exporte die Generalausfuhrbewilligung.
 
Ausfuhrbewilligungen im Bereich von Dual-Use Gütern und besonderen militärischen Gütern werden ausschliesslich über die Applikation ELIC (E-Licensing) elektronisch beantragt. Zur Neuregistrierung ins ELIC verlangt das SECO den Nachweis und die Abgabe eines unternehmensinternen Kontrollprogramm (ICP – Internal Compliance Program; mehr dazu gleich in Kap. V unten).
 
 
V. UMSETZUNG DER EXPORTKONTROLLE IM UNTERNEHMEN
 
1. Womit? Mit dem Internal Compliance Program (ICP)
Die unternehmensinterne Exportkontrolle erfolgt mit dem sog. Internal Compliance Program (ICP)1. Es handelt sich um ein firmeninternes Kontrollsystem, das in erster Linie die Einhaltung der gesetzlichen Exportkontroll-Vorschriften bezweckt. Es hilft zudem regulatorische Risiken frühzeitig zu erkennen und Lieferketten abzusichern.
 
Um dies zu garantieren, verpflichtet sich die Geschäftsführung darin, (geeignete) organisatorische Massnahmen und Vorkehrungen zu treffen und zu implementieren.
 
Jedes ICP ist individuell und muss dementsprechend auf die spezifischen Eigenschaften und Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens zugeschnitten sein. Der Umfang eines ICP sowie die Art und Anzahl von Kontrollmechanismen bzw. Prüfschritten, welche implementiert werden sollen, hängt u.a. von der Produktepalette, vom Kundenstamm, von der Endverwendung und von den Lieferländern ab. Während es keine festen Vorgaben zur Umsetzung des ICP gibt, ist es dennoch erforderlich, dass bestimmte Voraussetzungen und Kriterien erfüllt sind, um ein effektives ICP erfolgreich zu implementieren (mehr dazu unten in Ziff. 3).
 
Eine ausführliche Übersicht über das ICP gibt das auf der Webseite des SECO herunterladbare Dokument «Firmeninterne Kontrolle der Einhaltung der Exportkontrollvorschriften (Internal Compliance Progamme – ICP».
 
2. Wer benötigt ein ICP
Wie in Kapitel II erwähnt, unterliegt jede Firma, die in der Schweiz Dual-Use-Güter produziert und ins Ausland exportiert, der Exportkontrolle. Ein ICP stellt für derartige Unternehmungen demnach keine optionale Massnahme dar, sondern ist vielmehr eine gesetzliche Pflicht.
 
3. Was muss im ICP stehen?
Zu Beginn eines IPC ist das uneingeschränkte und verbindliche Kommittent der Geschäftsleitung festzuhalten, wonach die Einhaltung der Exportkontrollvorschriften ein grundlegendes Element der Unternehmenspolitik ist.
 
Im Anschluss sind im ICP die exportkontrollverantwortliche Person und das Exportkontrollpersonal zu bezeichnen bzw. benennen. Angesichts der erheblichen Verantwortung, die mit der Rolle des Exportkontrollverantwortlichen verbunden ist, sollte diese Position von einem Mitglied der Geschäftsleitung besetzt sein. Da dieser die Verantwortung für die korrekte Umsetzung des ICP im Unternehmen trägt, muss er abteilungsübergreifende Befugnisse haben. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass der Exportverantwortliche mit der vollumfänglichen Autorität ausgestattet ist, Geschäfte, die gegen exportrechtliche Bestimmungen verstossen, jederzeit zu unterbinden bzw. zu «stoppen».
 
In der Folge werden im ICP die internen Prozesse und die einzelnen Prüfschritte im Warenfluss vom Einkauf bis zum Verkauf beschrieben. Zu diesem Zweck werden ergänzend Arbeitsanweisungen und Handbücher für die Mitarbeiter herausgegeben, die am Prüfprozess beteiligt sind. Im Detail werden im ICP folgende Vorgehen dokumentiert:
  • Überprüfung der Klassifizierung der Dual-Use Güter: wer und wann
  • Überprüfung der länderspezifischen Embargos: wer, wann (abhängig vom Lieferland und Empfänger)
  • Überprüfung der Sanktionsliste: wer (intern), welche Kunden, in welchen Zeitabständen

Im ICP werden alsdann die Auswahlkriterien (insb. Ausbildungsanforderungen) und die Weiterbildungspflicht des Exportpersonals festgelegt. Zu definieren sind zudem, wie die Prüfschritte dokumentiert und in welcher Form sie archiviert werden. Nicht zu vergessen ist zuletzt das jährlich durchzuführende und zu dokumentierende interne Audit des ICP.

4. Gibt es ICP-Muster?
Nein, weil ein ICP immer auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten und angepasst werden muss. Es existieren daher keine allgemeingültigen und erst recht keine «pfannenfertigen» ICP-Muster. Selbst wenn solche Muster im Internet auffindbar wären, ist wegen den potenziellen massiven straf-, verwaltungs- und zivilrechtlichen Folgen bei unkorrekter Umsetzung der Exportkontrollvorschriften äusserste Vorsicht geboten. Anders formuliert: Lassen Sie die Finger davon!

Eine geeignete Grundlage für die Erstellung eines ICP stellen das auf der Webseite des SECO herunterladbare Formular «Nachweis zum ICP – Internal Compliance Programme», das Dokument «ICP – Best Practice» und, sehr ausführlich, das Dokument «Firmeninterne Kontrolle der Einhaltung der Exportkontrollvorschriften (Internal Compliance Progamme – ICP» dar.


ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassend sind folgende Erkenntnisse festzuhalten:

➢ Jede exportierende Unternehmung ist von der Exportkontrolle betroffen.
➢ Im Bereich der Dual-Use Güter sind exportierende Unternehmungen verpflichtet:
  • ihre Güter auf der Grundlage der Anhänge 1 und 2 GKV zu klassifizieren,
  • für den Export solcher Güter eine Endverbleiberklärung des Empfängers zu verlangen, und
  • gestützt darauf beim SECO eine Ausfuhrbewilligung zu beantragen.
➢ Dual-Use Güter herstellende und exportierende Unternehmungen sind zur Erstellung und Implementierung eines auf sie zugeschnittenen Internal Compliance Program (ICP) verpflichtet.
➢ Ein massgeschneidertes ICP schütz eine Unternehmung nicht nur vor potenziellen massiven straf-, verwaltungs- und zivilrechtlichen Folgen, sondern auch vor Reputationsverlust und dem Ausschluss von internationalen Märkten.

 

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1 Die Schreibweise von Internal Compliance Program ist auf der Webseite des SECO und in den dort herunterladbaren Dokumenten uneinheitlich. In diesem Beitrag wird, sofern es sich nicht um ein Zitat handelt, konsequent an der englischen Schreibweise «Program» festgehalten.
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