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Veröffentlicht am 5. März 2020

Coronavirus-Epidemie: Arbeitsrechtliche Folgen​

Einleitung

Am 28. Februar 2020 hat der Bundesrat aufgrund der aktuellen Situation und der Ausbreitung des Coronavirus die Situation in der Schweiz als «besondere Lage» gemäss Art. 6 Abs. 1 Epidemiengesetz (EpG, SR 818.101) eingestuft. Eine besondere Lage liegt vor, wenn:

a.  die ordentlichen Vollzugsorgane nicht in der Lage sind, den Ausbruch und die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, und eine der folgenden Gefahren besteht:

  1. eine erhöhte Ansteckungs- und Ausbreitungsgefahr,
  2. eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit,
  3. schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft oder auf andere Lebensbereiche;

b.  Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite besteht und durch diese in der Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht.

Infolge dessen und gestützt auf Art. 6 Abs. 2 Buchstabe b EpG hat der Bundesrat die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19, SR 818.101.24) am gleichen Tag in Kraft gesetzt. Danach sind öffentliche und private Versammlungen von mehr als 1000 Personen verboten und bei solchen mit weniger als 1000 Personen muss der Veranstalter zusammen mit der zuständigen kantonalen Behörde eine Risikobeurteilung vornehmen.

Im Falle, da sich die Situation und die Ausbreitung verschlimmern würde, würde diese als «ausserordentliche Lage» im Sinne von Art. 7 EpG eingestuft. Diese Einstufung würde einschneidende Folgen für die Wirtschaft zeitigen.

In diesem zweiten und letzten von zwei Kurzbeiträgen sollen für Unternehmen bzw. Arbeitgeber die wichtigsten Fragen bezüglich arbeitsrechtlicher Konsequenzen mittels FAQs erläutert werden. Die vertragsrechtlichen Konsequenzen sind im ersten Kurzbeitrag erläutert worden.

I.       Fragen zum Lohn und zur Lohnfortzahlungspflicht

Q 1: Ist der Arbeitgeber bei Verweigerung der Arbeitsleistung ohne behördliche Anordnung lohnpflichtig?

Nein. Wenn der Arbeitnehmer sich weigert die Arbeit anzutreten, wenn keine offizielle behördliche Anordnung (Bsp. Anordnung der Betriebsschliessung) vorliegt, schuldet der Arbeitgeber keinen Lohn. Darüber hinaus kann das unberechtigte Nichtantreten oder das Verlassen der Arbeitsstelle eine fristlose Kündigung begründen.

Q 2: Ist der Arbeitgeber lohnpflichtig, wenn Arbeitnehmende aus Angst vor einer Ansteckung von der Arbeit fernbleiben?

Nein. Es kann auf Q 1 verwiesen werden.

Q 3: Darf der Arbeitgeber die Quarantäne für seine Arbeitnehmer anordnen und/oder anordnen, dass die Mitarbeitende, die sich privat oder beruflich in Risikogebieten aufgehalten haben, für eine bestimmte Zeit zu Hause bleiben sollen? Ist der Arbeitgeber in diesem Fall lohnpflichtig?

Ja, der Arbeitgeber darf anordnen, dass Arbeitnehmende zu Hause bleiben müssen, und er ist lohnpflichtig. Nach Möglichkeit sollen die Arbeitnehmenden Home-Office machen. Ist dies nicht möglich wie z.B. bei Produktions-, Logistikmitarbeiter und dergl. können Überstunden kompensiert werden. Dies erfordert jedoch die Zustimmung des Arbeitnehmers, soweit eine Einwilligung nicht bereits vorab mittels Arbeitszeitreglement eingeholt wurde.

 Q 4: Schuldet der Arbeitgeber Arbeitnehmenden Lohn, die am Coronavirus erkrankt sind und nicht zur Arbeit kommen?

Ja, der Arbeitgeber ist gemäss Art. 324a Abs. 1 OR für eine beschränkte Zeit lohnpflichtig, weil der Arbeitnehmer unverschuldet arbeitsunfähig ist. Wie lange die Lohnfortzahlungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit besteht, hängt vom Arbeitsvertrag ab. Ist darin oder in einem allfällig anwendbaren GAV nichts geregelt, bestimmt sich die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht nach den kantonalen Skalen; danach hängt die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht von der Anzahl Dienstjahren des betreffenden Arbeitnehmenden ab. Soweit der Arbeitgeber bzw. das Unternehmen eine Kollektivkrankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, leistet diese Taggelder aus anstelle des Lohns.

 Q 5: Schuldet der Arbeitgeber Lohn, wenn ein Arbeitnehmer berufliche Dienstreisen in Gebieten verweigert, die gemäss Bundesamt für Gesundheit nicht vom Coronavirus betroffen sind?

Nein, der Arbeitgeber schuldet in diesem Fall keinen Lohn. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers geht hier vor. Darüber hinaus kann auf Q 1 und 2 verwiesen werden.

 Q 6:  Ist der Arbeitgeber lohnpflichtig, wenn das BAG oder eine kantonale Behörde eine Quarantäne bzw. eine Betriebsschliessung zwecks Eindämmung der Epidemie anordnet?

Ja, der Arbeitgeber ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung auch im Falle einer behördlich angeordneten Betriebsschliessung lohnzahlungspflichtig. Diese Auffassung vertritt auch das SECO (siehe PDF «FAQ «Pandemie und Betriebe» auf www.seco.admin.ch oder auf www.bag.admin.ch). Der Arbeitgeber trägt nämlich zum einen das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko; behördliche Anordnungen fallen unter dem Betriebsrisiko. Zum anderen ist der Arbeitgeber nach Art. 324 OR auch «aus anderen Gründen» als Verschulden Lohnfortzahlungspflicht, wenn er sich in Annahmeverzug befindet. Unter Umständen können die Arbeitnehmenden allerdings gestützt auf ihre Treuepflicht zum Nachholen der «verpassten» Arbeitszeiten verpflichtet werden.

Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass keine Lohnfortzahlungspflicht bestünde. Argumentiert wird dabei mit dem vertragsrechtlichen Grundsatz, dass die nachträgliche, von keiner Partei zu vertretender Unmöglichkeit der Leistungserbringung zur Folge hat, dass Arbeitnehmende von ihrer Arbeitsleistung und Arbeitgeber von ihrer Lohnfortzahlungspflicht befreit sind. Anders ausgedrückt, Arbeitnehmende dürfen nicht zur Arbeit kommen, auch wenn sie dies möchten und Arbeitgeber dürfen die Lohnzahlung aussetzen.

Eine Möglichkeit bestünde eventuell, Kurzarbeit zu beantragen (Siehe Q 7 unten).

II.      Fragen zur Kurzarbeit

Q 7: Kann bei Betriebsschliessung aufgrund der Coronavirus-Epidemie Kurzarbeit beantragt werden?

Grundsätzlich ja, weil vorübergehende Arbeitsausfälle, die auf behördliche Massnahmen oder andere, vom Arbeitgeber nicht zu vertretende Umstände zurück zurückzuführen sind, gelten als Kurzarbeit im Sinne des AVIG (Arbeitslosenversicherungsgesetz, SR 837.0). Dasselbe gilt, wenn deren Ursache wegen der Epidemie in Lieferschwierigkeiten liegt, Personal wegen Transportbeschränkungen nicht mehr zur Arbeit erschient oder mehrere Ursachen zusammenfallen und der Betrieb vorübergehend nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Es müssen allerdings die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden:

–      die Arbeitnehmenden sind ALV-beitragspflichtig oder haben das Mindestalter für die AHV-Beitragspflicht noch nicht erreicht,

–      das Arbeitsverhältnis ist ungekündigt, und

–      der Arbeitsausfall ist voraussichtlich vorübergehend und es wird erwartet, dass durch Kurzarbeit Arbeitsplätze erhalten werden).

Keine Kurzarbeitsentschädigung bewilligt wird, wenn der Arbeitsausfall durch eine private Versicherung gedeckt ist.

 Q 8:  Kann Kurzarbeit auch für die Schliessung bzw. für den Arbeitsausfall einer Betriebsabteilung beantragt werden?

Ja, eine Betriebsabteilung wird einem Betrieb gleichgestellt, wenn sie mit eigenen personellen und technischen Mitteln ausgestatte Einheit bildet und sie einer eigenen, innerbetrieblichen selbständigen Leitung untersteht oder Leistungen erbringt, welche auch durch selbständige Betriebe produziert und vermarktet werden können. In anderen Worten muss die Betriebsabteilung, damit sie als Betrieb gleichgestellt wird, innerhalb des Gesamtbetriebs eine bestimmte Autonomie haben und eine organisatorische Einheit bildet. Darüber hinaus muss sie entweder einen eigenen Betriebszweck verfolgen oder im innerbetrieblichen Produktionsprozess eigene Leistungen erbringen.

III.       Fragen zur Fürsorge- und Treuepflicht

Q 9:  Muss der Arbeitgeber Schutzmasken und Desinfektionsmittel zur Verfügung stellen?

Nicht unbedingt. Erstens, hat das BAG (noch) keine diesbezügliche Massnahme angeordnet, die den Arbeitgeber dazu verpflichten würde. Zweitens, begründet die blosse obligationen- bzw. arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht genauso wenig wie das Arbeitsgesetz, welche beide u.a. den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden regeln, eine diesbezügliche Pflicht. Der Arbeitgeber kann aber aufgrund seiner Fürsorgepflicht angehalten werden, gewisse Schutzmassnahmen wie z.B. Verbot Hände zu schütteln, Reiseverbot in kontaminierten Gebieten u.a.m. zu verordnen.

 Q 10: Müssen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitteilen, dass sie oder Personen in ihrem Umfeld am COVID-19 erkrankt sind?

Aus der Treuepflicht, wonach Arbeitnehmende die Interessen ihres Arbeitgebers zu wahren haben, kann eine Mitteilungspflicht hergeleitet werden.

Um auf Nummer sicher zu gehen, empfiehlt es sich, dass der Arbeitgeber eine diesbezügliche Weisung erlässt.

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